Timothy Studer

Max von Moos-Förderpreis 2016

Die Max von Moos Stiftung hat zum Ziel, das Werk des bedeutenden Luzerner Künstlers, der von 1903 bis 1979 lebte und der viele Jahre an der Kunstgewerbeschule Luzern, der Vorgängerinstitution der jetzigen Hochschule Luzern Design & Kunst lehrte, mit Publikationen, Ausstellungen und Veranstaltungen zu würdigen. Die Stiftung vergibt aber auch den Max von Moos-Förderpreis im Betrag von CHF 5000.– an eine Master-Studienabgängerin oder einen Studienabgänger in Fine Arts der Hochschule Luzern, Design & Kunst, mit dem Schwerpunkt Art in Public Spheres und Art Teaching. Es ist bereits die siebte Preisverleihung.

Die Jurierung fand am 22. Juni in Emmenbrücke statt. Es konnten sich nach einer Vorauswahl acht Studierende mit ihren Abschlussarbeiten der Jury stellen. Die Jury besteht jeweils aus dem Stiftungsrat, dem Gabriela Christen, Christoph Lichtin und der Präsident Stefan G. Schulz angehören, den ich hier entschuldigen darf, da er zurzeit im Ausland weilt. Begleitet hat uns Peter Spielmann, der den Studiengang gemeinsam mit Sabine Gebhardt Fink, leitet. Besten Dank an die beiden für die gute Begleitung des Juryprozesses.

TimothyStuder_streetview

Gewinner des Jahres 2016 ist Timothy Studer mit seinem Projekt «SHIFTING»
Was zeichnet Timothy Studers Arbeit aus. Er hat einen für Emmenbrücke aber auch für die Geschichte der Hochschule, die nun nach Emmenbrücke zieht, zentralen Ort gewählt, den Centralplatz. Ausgangspunkt war die im Sommer des letzten Jahres vollzogene Verschiebung des hier prominent im Zentrum stehenden Tramhüslis. Timothy Studer hat nun beim Vergleich der örtlichen Gegebenheiten mit den Bildern, die auf Google Street View zur Verfügung stehen, eine Differenz festgestellt. Die digitalen Bilder korrespondieren nicht mit der Situation vor Ort. Man könnte sagen, dass Google einfach der Bautätigkeit hinterher hinkt. Aber diese Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Abbild, bezw. zwischen Realität und Virtualität ist ein Phänomen, das Timothy Studer aus einer künstlerischen Perspektive interessiert, als jemand, der sich professionell mit der «Verschiebtechnik», den Übertragungsmitteln von Wirklichkeit in Bilder beschäftigt. Wie verändert sich der reale Raum? Was passiert, wenn wir eine Abbildung als Tatsache voraussetzen. Ist für uns wahr, was wir auf unseren Displays sehen?

Er hat herausgefunden, dass Google produzierte Aufnahmen in vielerlei Hinsicht noch bearbeiten muss. Das hat Gründe, die durch den Persönlichkeitsschutz gegeben sind – so müssen Personen und Nummernschilder unscharf gemacht werden – aber auch technische. So ergeben sich durch die Aufnahmetechnik tote Winkel: Wo das Kamerafahrzeug steht, kann nicht fotografiert werden. Wendet man auf Google Street View den Fokus mit dem Cursor jedoch auf den Boden, wird mittels eines Algorithmus die Fläche, wo das Kamerafahrzeug steht, ergänzt, indem Farbe, Licht und Merkmale aus der Umgebung in die Leerstelle übertragen werden.

TimothyStuder_retoucheDiese Ergänzungen oder digitalen Retouchen, die man dann auf dem Bildschirm sehen kann, hat Timothy Studer als Aufforderung bezw. Vorlage genommen, um sie in die reale Situation einzufügen. Um sozusagen die Wirklichkeit, die Google Street View vorgibt, tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen, hat der Künstler eine nachbearbeitete Leerstelle des Aufnahmewagens als Trompe l'oeil auf die Strasse gemalt.

Ein zweites Beispiel einer solchen Trompe l'oeil-Malerei ist die Fahne, die nun über dem Centralplatz hängt. Die eigenartige Heraldik, die Timothy Studer mit Textilfarben auf den Stoff gebracht hat, ist nicht Emmenbrückes neues Gemeindewappen, sondern entspricht genau den Renderingfehlern, die auf den Ansichten des Platzes auf Google Street View beim Blick in den Himmel an dieser Stelle zu sehen waren sind.

Die Maschine mit ihren Algorithmen, die die Wirklichkeit überlisten wollte, wird hier vom Künstler vorgeführt. Die Rechnungsfehler sind eine wunderbare Vorlage für die Kunst, um eine erneute, autonome Wirklichkeit zu schaffen.

Timothy Studers Arbeit besticht durch ihren präzisen künstlerischen Zugriff. Sie zeigt, dass man durch genaue Beobachtung an einem x-beliebigen Ort zu schlüssigen Aussagen darüber gelangen kann, was unsere Welt auszeichnet, wie uns heute – im konkreten Fall – die Digitalisierung bestimmt und mit welchen Mitteln wir uns über diese hinwegsetzen können.

Der Stiftungsrat der Max von Moos Stiftung gratuliert Timothy Studer und freut sich, ihm für seine Abschlussarbeit den diesjährigen Max von Moos-Förderpreis übergeben zu dürfen.

Christoph Lichtin, Stiftungsrat der Max von Moos Stiftung, 24. Juni 2016

Stiftung Max von Moos
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